Scheuer warnt vor „Monsterwindrädern“ im Bayerischen Wald
16.02.2022 | Stand 16.02.2022 | Oliver Glombitza, Redakteur
„Wir werden für unseren Woid kämpfen!“, sagt Andreas Scheuer. Was klingt wie markige Worte zu Wahlkampfzeiten meint der ehemalige Bundesverkehrsminister aber wortwörtlich. Denn er sorgt sich um die Zukunft des Bayerischen Waldes – wegen der Energiepolitik der neuen Bundesregierung. Konkret sind es die Pläne zum Windkraftausbau von Wirtschafts- und Klimaminister Robert Habeck (Grüne), die den CSU-Politiker umtreiben. „Habecks Weg ‚Windenergie überall‘ ist falsch und nicht passgenau für Bayern“, findet Scheuer. Er ist sich sicher: „Der Bayerwald verträgt keine Monsterwindräder.“
Was der Bundestagsabgeordnete aus dem Wahlkreis Passau mit „Monsterwindrädern“ meint, sind die aktuell größten Modelle auf dem Markt. Rechnet man zu deren Nabenhöhe von bis zu 160 Metern noch die Rotorblätter hinzu, landet man bei etwa 250 Metern Gesamthöhe. Für Scheuer im Bayerischen Wald schlicht nicht vorstellbar. „Die Beeinträchtigungen für das Tourismus- und Naherholungsgebiet wären dramatisch. Die Türme des Doms zu Passau sind 68 Meter hoch und die Monsterwindräder 250 Meter. Die Dimension würde jeden Blick in den Bayerischen Wald dominieren.“
Ländlicher Raum als großer Verlierer
Scheuer sieht zudem den ländlichen Raum bei den Windkraft-Plänen der Ampel als großen Verlierer. „In der Landeshauptstadt München schließt man Windräder aus und bei uns im Bayerischen Wald sollen diese gebaut werden. Wir sind nicht der Windenergieproduzent der Großstädte.“ Er fordert deshalb ein „Machtwort“ von Ministerpräsident Markus Söder (CSU). Die Bayerische Staatsregierung müsse diesen Großanlagen im Bayerischen Wald eine Absage erteilen.
Tatsächlich plant die neue Bundesregierung aus SPD, Grünen und FDP die Nutzung der Windkraft massiv auszubauen. Zwei Prozent der Landfläche sollen für Windräder ausgewiesen werden – so steht es im Koalitionsvertrag. Das würde gerade für Bayern eine Kraftanstrengung bedeuten. Der Freistaat müsste schätzungsweise weitere 1,7 Prozent seiner Fläche für die Windkraft reservieren. Dabei ist der Ausbau zuletzt praktisch zum Erliegen gekommen: In den ersten drei Quartalen 2021 wurden keine neuen Genehmigungsanträge für neue Windräder im Freistaat gestellt. Das geht aus einer Antwort des Bayerischen Wirtschaftsministeriums auf eine Anfrage der Grünen hervor, über die die dpa kürzlich berichtete. Zum Vergleich: 2012 wurden 271 Genehmigungsanträge gestellt, 2013 waren es 400, 2014 waren es 220 und 2020 gerade noch drei.
1138 Windräder im Freistaat – davon 21 in Niederbayern
Dass mehr Tempo beim Windkraftausbau auch Niederbayern treffen würde, macht schon allein die Zahl der Anlagen deutlich. Zum Stichtag 31. Dezember 2021 standen im Freistaat 1138 Windräder – lediglich 21 davon in Niederbayern. Zwar bietet die Region insgesamt laut dem bayerischen Windatlas keine optimalen Verhältnisse für Windkraftanlagen, allerdings gibt es im nördlichen Bayerischen Wald sowie den Landkreisen Regen, Straubing-Bogen und Kelheim durchaus geeignete Standorte. Und auch Bayerns Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (FW) kündigte kürzlich an, in den nächsten zehn Jahren mindestens 600 neue Windkraftanlagen bauen zu wollen – vor allem in Bayerns Wäldern.
Auch Ludwig Friedl, Geschäftsführer der Energieagentur Regensburg e.V., sagt: „Grundsätzlich eignet sich Niederbayern für die Windkraft“. Im Auftrag des Bayerischen Wirtschaftsministeriums berät Friedl als „Windkümmerer“ interessierte Kommunen in der Oberpfalz und Niederbayern bei der Realisierung von Windkraftprojekten. Das Zwei-Prozent-Ziel der neuen Bundesregierung hält er im Freistaat auf absehbare Zeit aber nicht für erreichbar. „Man hat ja schon Schwierigkeiten zehn neue Räder zu bauen.“ Dennoch rechnet auch er damit, dass der Ausbau sich in den kommenden Jahren beschleunigen wird. „Die Akzeptanz für Windkraft wird steigen, je höher auch die Energiepreise steigen“, sagt er. Zudem mache in der Sache auch die Wirtschaft mittlerweile Druck auf die Staatsregierung. Und gerade ein Wegfall der 10-H-Regelung, die in Bayern festlegt, dass Windräder einen Mindestabstand vom Zehnfachen ihrer Höhe zu Wohngebäuden einhalten müssen, wird den Ausbau laut Friedl massiv beschleunigen. „Und ich garantiere, dass die Regel fallen wird“, sagt er.
Hauzenberg hat Erfahrungen gemacht
Erfahrungen zum Thema Windkraftausbau im Bayerischen Wald hat man in der Stadt Hauzenberg im Landkreis Passau indes schon zur Genüge gesammelt – ohne, dass überhaupt ein Windrad aufgestellt worden wäre. Erste Überlegungen zum Thema gab es schon vor zehn Jahren, wie Bürgermeisterin Gudrun Donaubauer erzählt. Dass die Anlagen der Firma BayWa r.e. überhaupt je gebaut werden, darauf würde sie nicht wetten, sagt die parteilose Rathauschefin gegenüber der PNP. Wie an vielen anderen Orten gibt es auch in Hauzenberg Widerstand gegen Windräder innerhalb der Bevölkerung. Letztlich wird der Stadtrat über das Vorhaben entscheiden. Ausgang ungewiss.
Generell zeigt sich Donaubauer aber offen für Windkraft im Bayerischen Wald. „Ich frage mich, wie die Energiewende gelingen soll, wenn alle sagen: ‚Das ist wichtig, aber bitte nicht bei mir.“ Die Hauzenberger Bürgermeisterin ist zwar selbst der Meinung, dass ein Windrad niemals eine Landschaft verschönere, sie glaubt aber auch, dass sich die Gesellschaft auch viele andere Dinge leiste, die die Natur nicht gerade aufwerteten. Und sie verweist auf ein sehr striktes und ausgesprochen vielschichtiges Prüfverfahren, dass alle Windkraftprojekte durchlaufen müssten, um zu klären, ob ein Bau an einem Standort möglich und vor allem auch vertretbar sei.
Andreas Scheuers Skepsis beim Ausbau der Windkraft in Niederbayern teilt auch Rita Röhrl nicht. Die SPD-Politikerin und Landrätin des Landkreises Regen erklärt gegenüber der PNP, sie habe nie verstanden, warum gerade im Bayerischen Wald keine Windräder stehen sollten. „Wer möchte, dass wir mehr Erneuerbare Energien haben, der muss auch B sagen“, findet sie. Zwar müssten Windräder nicht gleich auf dem Großen Falkenstein oder dem Großen Arber platziert werden, doch „wir können uns nicht vor allen Energieformen verschließen“, meint Röhrl. Schließlich werde der Energiebedarf der Gesellschaft auch künftig weiter steigen. Außerdem gehörten die Windkraftanlagen oft lokalen Genossenschaften und keinen großen Energieversorgern. „Warum sollte man es einem Dorf verbieten, ein Windrad aufzustellen?“, fragt die SPD-Landrätin. In solchen Fällen dürfe auch nicht zu sehr auf die 10-H-Regelung gepocht werden, findet sie.
SPD-Politiker Flisek wirft Scheuer „Panikmache“ vor
Die von der CSU in Bayern 2014 eingeführte 10-H-Regel ist in den Augen von Christian Flisek dafür verantwortlich, „dass Bayern von allen Flächenländern die geringste Energiemenge je Quadratkilometer aus Windkraft erzeugt“. Der SPD-Landtagsabgeordnete aus Passau hält die „populistische Agitation und Panikmache vor ‚Monsterwindrädern‘ für nicht angebracht“. Er setzt sich gegenüber der PNP für eine Diskussion über alle in Frage kommenden Standorte für Windkraftanlagen in der Region ein. „Für mich ist aber klar, dass der Ausbau der Windkraft nur mit und nicht gegen die betroffenen Kommunen und Bürgerinnen und Bürger gelingen kann.“ Er schlägt deshalb vor, betroffene Bürger an den Gewinnen solcher Anlagen zu beteiligen. In Richtung von Andreas Scheuer setzt Flisek noch einen Seitenhieb: „Gerade einen ehemaligen ‚Infrastrukturminister‘ fordere ich dazu auf, die Debatte um die notwendige Energieinfrastruktur sachlich zu begleiten, auch wenn der persönliche Frust in der Opposition groß erscheint.“
Scheuer selbst setzt beim Thema Energiewende im Freistaat indes auf Sonne und Wasser. Gerade bei Letzterem sieht er noch politischen Steuerungsbedarf. „Der richtige und notwendige Schritt wäre, die rechtlichen Rahmenbedingungen für die Wasserkraft zu erleichtern und zu verbessern, gerade für bestehende Anlagen und den Weiterbetrieb“, sagt Scheuer.